Das Motel, in dem ich letzte Nacht gehaust habe, war eine sehr unangenehme Unterkunft, schmutzig und laut, und mit eigenartigen und unfreundlichen Angestellten. Ich werde zwar ein oder zwei Tage hier in San Diego verbringen müssen, aber nicht in dieser Unterkunft hier. In aller Frühe packe ich meine Siebensachen und schaue, dass ich hier wegkomme.
Olga braucht dringend neue Reifen. Darum muss sie heute in die Werkstatt. Nach meiner Erkundungstour von gestern Abend weiss ich, wie ich den BMW-Motorradhändler finde. Gegen zehn Uhr bin ich da. Mein Kundenbetreuer ist sehr freundlich und wirkt kompetent. Um den Mittag herum wird ein Mechaniker frei sein und kann dann mit dem Reifenwechsel anfangen. Vorsichtshalber habe ich mich auf eine viel längere Wartezeit eingestellt. Aber wenn der Reifenwechsel schon in vier Stunden erledigt ist, dann ist mir das sehr recht.
Die BMW-Vertretung hier in San Diego ist sehr gross. In einer wohlhabenden Metropole mit 1.4 Millionen Einwohnern ist das auch nicht anders zu erwarten. Und der Laden scheint auch recht gut zu laufen. Laufend kommen Kunden herein und lassen sich die neuesten Fahrzeuge zeigen. Ich sitze in einem bequemen Fauteuil in der sehr komfortablen Kundenecke und schaue dem regen Treiben zu. Der BMW-Händler sorgt gut für seine wartenden Werkstatt-Kunden. Hier gibt es einem Wasserspender, einen Getränke-Automaten und ein schnelles und zuverlässiges WLAN.
In der Kundenecke wartet schon ein anderer Kunde auf sein Fahrzeug. Er ist gross, wirkt jugendlich mit seinem rötlichen Schopf und Bart und arbeitet konzentriert an seinem Macbook. Wir grüssen uns kurz und arbeiten dann beide still vor uns hin. Ab und zu, wenn wir beide gleichzeitig aufschauen oder uns etwas strecken, wechseln wir ein paar Worte. So erfahren wir im Verlauf der Wartezeit etwas voneinander. Er ist von Beruf Layouter und arbeitet beim letzten Wochenmagazin von San Diego. Als er mit dem Job vor 14 Jahren angefangen hat sind in San Diego noch elf verschiedene Wochenmagazine erschienen. Damals hat er in einem Team von 12 Personen gearbeitet, das jede Woche ein Magazin mit über 200 Seiten publiziert hat. Heute gehört er zum Team des letzten Wochenmagazins von San Diego. Zu dritt publizieren sie etwa noch 90 Seiten pro Woche. Das macht ihm etwas Sorge. Die Printmedien sind zwar nicht am Aussterben, aber sie befinden sich auf einem undefinierten Rückzug.
Als mein Gegenüber hört, dass ich aus der Schweiz bin, lächelt er etwas verlegen. Das komme mir bestimmt komisch vor, meint er, aber er habe noch nie Schnee in echt gesehen hat. Er sei eben ein richtiges Stadtkind von San Diego. Vier Motorräder besitzt er: Eine BMW, die gerade im Service ist, irgendeine Supersportmaschine, deren Namen ich auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht verstehe, dann noch eine alte Vespa und ein Velosolex. Beim der Erwähnung des Velosolex schaut er mich fragend an, weil er nicht sicher ist, ob ich das kenne. Nun, ich weiss sehr wohl, was ein Velosolex ist, und zwar nicht, weil ich so ein ausgebuffter Motorradfreak bin, sondern weil ich einfach den richtigen Jahrgang habe. Zig Male bin ich hinten auf dem Solex meiner Mutter gesessen. Ich sehe noch wie es war, wenn es geregnet hat und der Motor schon bei der geringsten Steigung den nassen Reifen nicht mehr richtig antreiben konnte. Dann war's aus mit fahren. Ich musste im Regen neben meiner Mutter her laufen, und sie musste den Solex schieben. Mein neuer Freund besitzt zwar vier Motorräder, aber, so erzählt er wieder etwas verlegen lächelnd, er sei noch nie länger als eine halbe Stunde auf einem Motorrad gesessen. Er benutzt seine Fahrzeuge nur um zum Einkaufen oder zur Arbeit zu fahren, also nur für den Nahverkehr. Mit seiner liebenswürdigen Offenheit und seiner charmanten bubenhaften Verlegenheit ist er wirklich ein liebenswürdiger, sympathischer Kerl.
Um 11.30 steht Olga immer noch draussen und wartet, bis sie drankommt. Da kommt ein weiterer Motorradfahrer zu uns in die Sitz- und Warteecke. Er heisst Eli, ist seit einigen Jahren auf einer Weltreise mit dem Motorrad, und das braucht ebenfalls neue Reifen. Er ist in Südamerika gestartet, ist ganz in den Süden hinuntergefahren, bis dahin, wo die letzte erreichbare Siedlung auf dem Festland ist, und ist dann die Transamericana hochgefahren. Vor kurzem hat sich er unter abenteuerlichen Umständen von Kolumbien nach Panama eingeschifft und ist jetzt über Mittelamerika und Mexico in Kalifornien gelandet. Er ist eine Art Journalist, macht Bilder, die er verkauft und engagiert sich in einer Stiftung, die sich um Kinder mit Krebs kümmert. Seine Website heisst „www. SoloOnMoto.com“. Eigentlich ist er Brite, scheint aber überall in der Welt Familie zu haben und zu Hause zu sein. Er will auch hoch nach Alaska. Das möchte er gerne so schnell wie möglich tun, weil er gerne einen Teil des Frühjahrs in seinem Wohnsitz in der Region Nizza verbringen möchte. Wie das gehen soll, das weiss er auch noch nicht. British Columbia, Yukon und Alaska sind ja erst ab Mai wieder befahrbar.
Eli hat mir seine Visitenkarte gegeben. Die hat im Gepäck etwas gelitten.
Olga hat in der Zwischenzeit neue Reifen bekommen. Nach einer kurzen Rücksprache bekommt sie auch noch neue Bremsbeläge. Mein Kundenbetreuer hat wegen der Bremsbeläge zuerst etwas herumgeeiert bis ich ihn gefragt habe, ob man denn das nicht einfach machen müsse, Bremsen seien doch Security-Equipment. Natürlich muss man die Bremsbeläge auch ersetzen, und ich bin froh, wenn er mich darauf aufmerksam macht und das Problem behebt. Zu Hause in der Schweiz ist das viel einfacher. Da wird nicht herumgeeiert. Wenn ich da neue Reifen brauche, dann bringe ich mein Motorrad zum vereinbarten Termin zu Herrn Ackermann. Wenn ich das Motorrad dann wieder abhole, dann sagt mir der Herr Ackermann, was er noch alles gerade ersetzt oder repariert hat, weil es einfach hat sein müssen, und dann ist wieder alles in bester Ordnung und ich kann wieder sicher fahren.
(Edit: Hier ist übrigens die Garage Ackermann in Kestenholz SO gemeint. Seit ich eine Honda fahre, also seit elf Jahren, bin ich da Kunde. Unbedingt empfehlenswert! )
Nach einer weiteren Wartezeit ist es dann soweit: Olga hat neue Reifen und beim Hinterrad auch noch neue Bremsbeläge. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich ein gebrauchtes Motorrad kaufe. Mittlerweile kenne ich das ein wenig. Es dauert immer eine Weile, bis die Schwächen und Altlasten zum Vorschein kommen und behoben sind. Das kostet zwar jeweils etwas Geld, aber nie so viel, wie ein neues Motorrad kosten würde. Wenn Olga da neue Bremsbeläge und in ein paar tausend Kilometer auch och neue Bremsscheiben braucht, dann begeistert mich das nicht, aber es verunsichert mich auch nicht, das heisst, es tut es zumindest bis jetzt nicht.
Der ganze Aufwand hat sich aber wirklich gelohnt. Olga läuft jetzt viel ruhiger, stabil wie auf Schienen und doch sehr beweglich.
Während der Wartezeit habe ich für zwei Nächte ein anderes Motel in San Diego gebucht. Da fahre ich jetzt hin und beziehe mein nächstes Quartier. Die Zimmer sind ganz frisch renoviert, und das Personal an der Rezeption ist sehr freundlich und speditiv. Ich bin froh, bin ich vom anderen Motel weg und hier untergekommen.
Am Freitag ist der 1. April. Ich weiss nicht, wie das die Amerikaner machen, und ich finde es auch nicht heraus. Ich bin den ganzen Tag über mit anderen Sachen beschäftigt und komme erst gegen Abend richtig aus der Stube heraus. Nach einem richtig feinen Abendessen in einem griechischen Restaurant mache ich mich noch einmal an die Arbeit. So, jetzt ist mein Blog endlich à jour.
hi friend
jetzt habe ich grade eineinhalb Stunden deine Blog-Einträge durchgelesen.
wunderbar und packend
persönlich und berührend
philosophisch und unterhaltsam
das nimmt einem gleich mit auf die Reise
ich freu mich auf die nächsten Einträge
danke
and have many more good rides
hi friend
Vielen Dank!
Ciao Martin, Du bist wieder eimal mehr überrasschend, als Cowboy mit Deinem coolen Trip auf dem Steelhorse, many congrats!
Auf Deiner abenteuerlichen Reise wünsche ich Dir weiterhin viel Freude und Erfüllung.
Ich freue mich auch auf die nächsten Einträge.
Lieber Gruss
Jüge Iten
Tschou Tschüge
Danke! Schön von Dir zu hören!
Hallo Herr Bünger
endlich, endlich habe ich die Zeit um in Ihrem Reiseblog herumzuschmöckern. Den ganzen März habe ich bis jetzt geschafft und ich werde auch bestimmt gleich weiter lesen. Es ist so spannend und interessant. Ich wünsche Ihnen weiterhin ganz viele spannende Momente.
Liebe Grüsse aus Kestenholz
Marietta und Marius Ackermann
Vielen Dank, Frau Ackermann, das freut mich sehr! Und ausserdem sind Sie ja auch gerade auf dem richtigen Eintrag gelandet, wo ich ein wenig Schleichwerbung für Sie mache. Ich werde das gleich noch deutlicher machen.
Viele Grüsse aus Kanada, Martin Bünger
Schon Guten Morgen, Herr Buenger.
Es war schön, Sie in San Diego, Kalifornien zu treffen und schön, Ihren Blog über mich und Solo on Moto projekt hier zu lesen.
Ich wünsche Ihnen noch eine gute Fahrt mit Ihrem Motorrad.
Eli