Nach dem Kopfwehtag gestern habe ich letzte Nacht gottseidank lange geschlafen. Heute Morgen fühle ich mich wieder richtig fit. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen heute Morgen joggen zu gehen. Das schaffe ich dann doch noch nicht. Aber ich mache stattdessen etwas Gymnastik und Entspannungsübungen. Vielleicht werde ich ja heute Abend joggen gehen.
An der Rezeption meines Motels hole ich mir einen Frühstückstee und trinke ihn draussen an der Sonne. Ein Motorradfahrerpaar ist gerade dabei, sich reisefertig zu machen. Heute Morgen fühle ich mich so fit, dass ich für einmal den Spiess umdrehe. Mit meinem Teebecher in der Hand stelle ich mich neben den beiden auf und frage als ob es das Normalste der Welt wäre: "Hi, uayahädada?"
Die beiden sind in meinem Alter. Beide sind mit einer BMW 850 unterwegs, der kleinen Schwester von Olga. Sie kommen aus British Columbia, Kanada, und sind der kalifornischen Küste entlang nach Süden gefahren. Jetzt sind sie bereits wieder auf der Rückreise. Über den Grand Canyon und den Yellowstone Park fahren sie wieder zurück nach Kelowna. Der Kollege fühlt sich durch meine Frage offenbar richtig angekickt und sondert haufenweise gute Tipps ab: Wo ich überall durchfahren soll und wo ja nicht, welche Pneus er mir für meine BMW unbedingt empfiehlt, was ich mir im Yellowstone National Park unbedingt anschauen soll und vieles mehr. Gerade eben war ich noch so stolz darauf, dass ich jetzt weiss, wie man sich hier benimmt. Aber unter diesem Redeschwall schwindet mein Stolz rapide und ich frage mich, ob ich mit meiner Frage eben nicht einen ziemlichen Blödsinn gemacht habe. Die Frontscheibe der BMW seiner Partnerin hat gut sichtbare Sprünge. Sie hat in einer engen Kurve die Strassenkante touchiert und ist dabei gestürzt. Weil sie in der Haarnadelkurve nur ganz langsam unterwegs war hat sie sich nur blaue Flecken und ein paar Schrammen geholt. Aber die Scheibe hat es wüst erwischt. Die beiden sind gerade damit fertig geworden, die Scheibe mit Klarsichtklebeband und Leim zu flicken.
Auch für mich wird es langsam Zeit, dass ich in die Gänge komme. Bevor ich mich aber reisefertig mache muss ich unbedingt noch das Insektenschlachtfeld auf der Scheibe von Olga und auf meinem Helm beseitigen. Das ist wider Erwarten eine Heidenarbeit. Dabei war ich doch mit Olga erst vor einer Woche in der Waschanlage.
Bei der Streckenplanung für heute habe ich kurzerhand entschieden, den Canyonland Nationalpark wegzulassen. Erfahrungsgemäss bin ich nach einem Park nicht weiter aufnahmefähig. Der Arches Nationalpark ist gleich bei Moab. Beim Hinfahren sehe, ich, dass Moab in einer Schlaufe des Colorado Rivers liegt. Das ist mir gestern Abend bei der Ankunft gar nicht aufgefallen.
Der Arches ist wie die ganze Gegend hier voller roter Steinfiguren. Da stehen die drei Eidgenossen wie im Bundeshaus in Bern. Es gibt Statuenreihen wie in Florenz, und ausser den Statuen und Figuren gibt es in diesem Park auch noch Felslöcher und die bekannten Bögen aus dem roten Stein hier. Die Szenerie ist wirklich imposant. Der Park ist gross und ich muss mir überlegen, was ich alles sehen will und wie das auf mich wirkt. Nach der ersten Begeisterung und nach circa eineinhalb Stunden ziehe ich eine nüchterne Bilanz: Hier gibt es rote Steine, Furchen in roten Steinen, Bögen aus roten Steinen, Löcher in roten Steinen und rote Steine, die auf einer Säule aus rotem Stein balancieren. Es ist wirklich imposant und schön hier, aber ich habe mich satt gesehen.
Mittlerweile ist es Mittagszeit. In Moab tanke und esse ich noch, dann geht es los in Richtung Colorado. Mein Ziel ist Cortez, eine kleine Stadt kurz nach der Grenze zwischen Utah und Colorado. Es gibt dort eigentlich gar nichts Besonderes. Die Stadt liegt in einer vernünftigen Fahrdistanz, hat ein preiswertes Motel, einen Gewürzladen und alles, was mit Vorteil bei einem Etappenziel vorhanden ist. Wenn das Motel hält, was es verspricht, werde ich zwei Nächte bleiben. Mit dem Blog bin ich in Verzug geraten, weil ich eine Woche lang jeden Tag bis abends spät gefahren bin. Ich habe zwar täglich meine Notizen gemacht, aber 11 Tage Backlog im Blog ist mir einfach zu viel.
Zwischen Moab und Monticello nehme ich Abschied von der Gegend hier. Lebt wohl, ihr inspirierenden roten Steine. Nach Monticello nehme ich die Strasse nach Colorado, und schon bald ändert sich die Landschaft.
Auf der einen Seite geht hier die Verbuschung der Steppe in eine Bewaldung über. Auf der anderen Seite ändert die Steppe zu Ackerland mit roter Erde. Es scheint hier fruchtbare Erde und genügend Waser zu geben. Ausserdem wird das Terrain ebener, so dass Ackerbau auch mit vernünftigem Aufwand betrieben werden kann. Und noch etwas gibt es hier: Windschutzhecken. Wenn das die Farmer in Arizona wüssten.
Um 15.30 Uhr bin ich schon in Cortez, richte mich im Zimmer ein, gehe einkaufen und verlängere meinen Aufenthalt um eine Nacht. Heute werde ich noch kurz etwas schreiben. Dann gibt es aber frühzeitig einen wunderbaren Feierabend, so hoffe ich.