Haines

Urlaub war zwar erst gerade vorgestern, und doch habe ich mich auf diesen Pausentag gefreut. Hier in der grün-grauen Abgeschiedenheit in der eigenen kleinen Wohnung Zeit für all das haben, was an einem Fahrtag einfach keinen Platz hat, das ist Seelenbalsam. Es gibt ein paar duties, die unbedingt erledigt werden müssen. Schmutzwäsche waschen gehört da zum Beispiel dazu. Meine Motorradkleider sehen so übel aus, dass ich froh bin, dass mich die Amerikaner wieder reingelassen haben. Hier in Alaska ist man zwar nicht ganz so förmlich, aber auch nach hiesigen Massstäben müssen die Motorradkleider glaube ich dringend gewaschen werden.
Dann ist da noch die Scheinwerferbirne, die schon seit Tagen hinüber ist, und für die ich den Ersatz schon in der Tasche habe. Ich habe noch nie bei einem Motorrad eine Glühbirne gewechselt. Heute probiere ich es aus. Fünf Mal nehme ich Anlauf. Beim ersten Mal bringe ich die Abdeckung auf, kann die neue Birne einsetzen, bringe aber die Spannfeder nicht mehr dran. Beim zweiten Anlauf bringe ich die Spannfeder immer noch nicht dran. Beim dritten Mal schaue ich, ob die eingesetzte Birne überhaupt brennt. Tut sie nicht! Dafür verliere ich die Spannfeder und finde sie nicht mehr, Doppelmist! Der vierte Anlauf ist gar kein richtiger. Ich will den Stecker mit der kaputten Birne einfach irgendwie in die Öffnung stopfen und die Abdeckung wieder drauf machen, so dass ich weiterfahren kann. Die Glühbirne hat ja schon vorher nicht mehr gebrannt. Soll sich dann ein Mechaniker, der drauskommt, darum kümmern. Nachdem ich die Sache irgendwie zusammengeschnurpft habe starte ich Olga testhalber, weil ich ja keine Ahnung habe und darum nicht sicher bin, ob das Motorrad läuft, oder ob da eine lebenswichtige Stromleitung durch das Abblendlicht läuft und Olga gar nicht mehr anspringt. Olga springt an, ja noch mehr, das Abblendlicht brennt! Die Birne ist gar nicht kaputt, ist das schön. Vor Freude gehe ich ein paar Schritte zurück und lobe Olga: „Braves Mädchen, hast du fein gemacht“ und trete dabei auf etwas, das ein komisches Geräusch macht. Da liegt ja die Spannfeder am Boden, wunderbar, dann haben wir ja wieder alles beieinander. Beim fünften Anlauf sitzt die Glühbirne richtig in der Fassung, die Spannfeder ist sauber eingerastet und das Abblendlicht brennt wieder. Man muss eben mit allem rechnen, auch mit dem Guten, hat Peter G. immer gesagt. Wobei ich sagen muss, dass ich in Zukunft bei Motorradreparaturen lieber wieder mit dem Herrn Ackermann rechne.
Die Wäsche und die Sache mit dem Abblendlicht sind geregelt. Ich schaue mich noch ganz kurz ein wenig ums Haus herum um, lasse es aber wieder bleiben. Vielleicht ist da eine Elchkuh, die nicht gestört werden möchte, und wenn da tatsächlich eine Elchkuh ist, dann wird sie sicher am wenigsten gestört, wenn ich ein Mittagsschläfchen mache, statt ums Haus zu laufen. Das tue ich doch gerne für die Elchkuh und ihre Jungen.

Den ganzen Nachmittag arbeite ich an dem Beitrag über die Strecke Fort Saint John - Muncho Lake. Die Waldbrände und ihre Spuren haben auch bei mir Spuren hinterlassen, aber es ist schwer, diese in vernünftige und verständliche Worte zu fassen, vielleicht gerade darum, weil es sich mir so unvernünftig und unverständlich zeigt. Am frühen Abend schliesse ich die Arbeit an diesem Beitrag ab. Etwas Anderes als das, was ich jetzt habe, kriege ich nicht hin, und es ist mir wichtiger, diesen Beitrag als Teil meines Reiseblogs abzuschliessen, als mic damit um den Pulitzerpreis zu bewerben.
Die Arbeit an diesem Text habe ich einige Male unterbrochen und auf Youtube mehrmals einen Videoclip angeschaut, der mich sehr beeindruckt. Es ist eine Aufzeichnung von der Politkabarett-Sendung "Scheibenwischer"aus dem Jahr 2003, die letzte Sendung, die der hoch verehrte Altmeister Dieter Hildebrand moderiert hat. In dieser Sendung spielt auch der Musiker Konstantin Wecker mit. Er spielt zum Abschied von Dieter Hildebrandt zwei Lieder, die mir sehr nahe gehen, weil sie, wie ich finde, ein paar wichtige Dinge ganz genau auf den Punkt bringen.

 

Am späten Nachmittag lerne ich nach Carolyn auch noch Tom Ganner kennen, meinen Gastgeber. Ich muss mein Ticket für die Whale-watching-tour morgen ausgedruckt mitbringen, und Tom druckt das für mich aus. Damit haben wir auch gleich die Gelegenheit, um uns für die Tour morgen abzusprechen. Wir machen gemeinsam einen kleinen Eiertanz bis wir feststellen, dass wir beide gerne möglichst früh bereit sind. Wir werden also 15 Minuten früher als nötig losfahren. Tom ist pensionierter Lehrer. Ich würde ja schon gerne wissen, an was für einer Schule er unterrichtet hat, und in welchem Alter man hier als Lehrer pensioniert werden kann. Tom ist jedenfalls noch sehr fit und voll auf zack.

Und am Abend gibt es dann den King Salmon, den ich gestern gekauft habe. Tja, was soll ich sagen? Ich bin ein bisschen enttäuscht. Wenn es irgendwie geht, dann sollte man einen so feinen Fisch einfach nicht einfrieren. Der Fisch bleibt zwar geniessbar, wenn man ihn einfriert, aber das ist dann immer noch weit entfernt von wohlschmeckend.

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