Palm Springs – Big Bear Lake

Im Gegensatz zu gestern beginnt der Tag heute strahlendblau und warm. Das sind gute Vorzeichen für die Tage, die wir in Palm Springs geplant haben, und auch für die Tour heute.
Wie gestern schon vermutet breche ich mit etwas Verspätung nach Palm Springs auf.  Ich habe zwar etwas verschlafen und brauche auch länger zum Laden, aber am meisten Zeit habe ich gebraucht, um die Benzinuhr der BMW zu überprüfen. Gestern stand die Benzinanzeige nämlich plötzlich auf Reserve, ohne dass vorher ich eine nennenswerte Strecke gefahren bin, und das hat mich beunruhigt. Darum habe ich vor der Abfahrt heute Morgen noch einmal das Handbuch konsultiert und etwas gerechnet mit dem Ergebnis, dass ich jetzt auch sicher bin, dass die Benzinuhr zuverlässig funktioniert. Ich muss mich einfach noch an die neue Situation hier gewöhnen. So fährt zum Beispiel die BMW hier mit einer Tankfüllung etwa 300 km weit fährt, mein Motorrad zu Hause hingegen  450 km. Etwas schwieriger ist für mich die Tatsache, dass Distanzen hier in den USA in Meilen und nicht in Kilometern angegeben werden. Wenn die Benzinuhr der BMW einen halb vollen Tank anzeigt, und ich erst 100 Meilen gefahren bin, und das schien mir viel zu wenig. Erst mit etwas rechnen bin ich darauf gekommen, dass ich km und Meilen vermischt habe. Die BWM hier fährt mit einer Tankfüllung zwar schon 300 km, aber das sind eigentlich 200 Meilen. Dementsprechend bedeutet mein Tacho zeigt auch 100 Meilen mehr an, und nicht 100 km. also einen halben Tank bei einer Distanz von 100 anzeigt, dann sind das 100 Meilen, also 160 km, und das entspricht ziemlich genau den Werksangaben. Wenn es auf einem Strassenschild zum Beispiel heisst, dass es bis zum Ziel noch 100 Meilen sind, dann sind das in Wirklichkeit 160 km, und das ist ein relevanter Unterschied. Wenn ich die Zahlen sehe, dann kommen die als Informationswerte bei mir an und lösen nur ein Gefühl aus, aber nicht eine Umrechnungsoperation. Wenn ich 100 sehe, dann kommt das sofort gefühlsmässig als 100 km bei mir an. Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass ich dann quasi von Hand immer noch nachrechnen muss.
Auf der Fahrt nach Palm Springs holt mich das bereits das erste Mal ein. Bei der Verbrauchsanzeige von 160 Meilen schlägt die BMW schon Alarm, und es dauert etwas, bis ich merke, dass der Tank zu mehr als dreiviertel leer ist. Und es dauert noch einmal eine Weile, bis ich weiss, dass ich dringend eine Tankstelle brauche, und wie ich die jetzt gerade finde.

Palm Springs

Chevy Impala

Mit entsprechender Verspätung treffe ich in Palm Springs ein. Es ist wunderbar blaues und warmes Wetter. Meine Tochter erwartet mich schon auf dem Parkplatz vor dem Hotel. Sie steht vor einer Mittelklasse-Limousine, einem Riesenschlitten. Da mache ich aber wirklich grosse Augen. Der Kleinwagen von gestern Abend wird doch wohl nicht über Nacht gewachsen sein.
Nein, es ist ganz einfach: Sie hat noch gestern Abend gemerkt, dass etwas mit dem Mietfahrzeug nicht stimmt und ist damit gleich wieder zu Sixt gefahren. Dort hat man einen Nagel in einem der Reifen gefunden. Als Entschädigung hat sie ein grösseres Auto erhalten. Es ist ein Chevy Impala, mein Gott! Irgendein Detektiv aus den TV-Serien meiner Kindheit ist einen Chevy Impala gefahren, Frank Cannon oder irgend so einer. Im Moment bin ich ziemlich sprachlos.
Es dauert nicht lange, da kommt einer der Hotelgäste auf uns zu. In den letzten Tagen hat es das schon ein paar Mal gegeben. Das ist dann immer so so gelaufen, dass man mich gefragt hat: „Hey, nice Bike, it’s this super BMW, 1000 or 1100, no?“ Und ich habe dann immer ganz stolz geantwortet: „Yes, it’s a BMW, GS 1200, yes, she is great“. Hier und jetzt läuft das aber ganz anders. Der Typ fragt mich ziemlich begeistert: „Hey, this is this new Chevy, isnt it?“ Ich will zuerst gar nichts sagen. Schliesslich bin ich nur für Komplimente zu meinem Motorrad zuständig. Und das hier ist gar nicht mein Auto. Als der Mann mich weiter erwartungsvoll anschaut, da reagiere ich halt doch: „I don’t know if it’s the new Chevy. It’s an Impala, yes, and it looks great“. Das Ganze ist mir ein bisschen peinlich.

Wir ziehen uns um und starten unsere erste richtige Amerika-Motorradtour. Unser Ziel ist der Big Bear Lake. Der liegt auf 2600 m in den San Bernardino Mountains. In Palm Springs herrscht T-Shirt-Wetter bei 30 Grad, aber am Big Bear Lake werden es nur etwa sieben Grad sein. Hoffentlich ist es dort nicht noch kälter, und hoffentlich müssen wir nicht zu lange in der Kälte fahren.
Die Anfahrt ist etwas mühsam. Zuerst fahren wir eine Stunde lang auf dem Highway zurück bis San Bernardino. Dort machen wir Mittagsrast und biegen dann auf die Zufahrtsstrecke in die Berge ein. Eine breite und ewig lange Rampe liegt vor uns und führt uns mitten in die Berge. Dann wandelt sie sich in eine Bergstrecke mit weiten, steilen Kurven und einem tadellosen Belag. Genau so wünscht man sich das als Mensch mit Motorrad-Hintergrund. Schon auf halber Höhe ziehen wir uns wärmer an, damit wir möglichst nicht frieren.

Bergstrecke San Bernardino

Ebene von San Bernardino

Skilift beim Big Bear Lake

Es dauert auch nicht mehr lange, bis links und rechts von der Strasse Schneefelder auftauchen. Sogar an einem Skilift mit Skifahrern fahren wir vorbei. Auch wenn ich damit gerechnet habe, ist dieser Anblick etwas eigenartig. Wir sind in Palm Springs bei knapp 30 Grad losgefahren. Unser letzter Blick galt den braungebrannten schlafenden Rentnern am Pool. Jetzt, zwei Stunden später, fahren wir durch eine schneebedeckte Landschaft und schauen Skifahrern zu.

Die Landschaft rund um den Big Bear Lake erinnert an Skandinavien. Solche Häuser, einen See mitten in den Wäldern und dieses Blau des Himmels habe ich in Schweden gesehen.
Der See selber ist gar nicht so gross. Er ist vielleicht 10 km lang. Wahrscheinlich meint der Name nicht "Grosser Bärensee", sondern „See der grossen Bären“.

Big Bear Lake Suedost

Martin

In Big Bear City gibt es nichts Interessantes zu sehen. Die Fahrt hinunter nach Redlands dauert eine gefühlte Ewigkeit. Lange Zeit tuckern wir hinter einem Truck her. Wir frieren so sehr, dass wir anhalten und etwas Gymnastik machen, um uns wieder aufzuwärmen.
Unten im Tal erreichen wir Redlands. Dort ist es wieder kalifornisch warm. Auf der Rückfahrt frieren wir zwar nicht mehr, aber sind wir ziemlich geschafft. Die Kälte hat ziemlich viel Kraft gekostet. Etwas müde, etwas steif, aber grundzufrieden kommen wir in Palm Springs an. Die Tour hat sich gelohnt, Kälte hin oder her!

Reiseroute am Dienstag, 8. März 2016

Kommentare

  • Daniel Schäfer Dienstag, 5. April 2016 Antworten

    Guten Morgen Bünger, ganz spannend zu sehen, wie du deinen Traum umsetzt.
    Super coole Idee!
    Bei uns hat es auch fast 20 Jahre gedauert, bis wir unseren Traum vom Hof umgesetzt haben.
    Letztes Mal als ich mit Jan beim Big Bear Lake war hat der eine See kein Wasser mehr gehabt.
    Super Bilder und Impressionen. Bin auf deine weiteren Etappen gespannt.
    Weiterhin Good Luck and have fun.
    Bis bald Herzliche Grüsse Dani

    • Martin Bünger Dienstag, 5. April 2016 Antworten

      Hallo Dani
      Es gibt Dinge, die offenbar mehr Zeit brauchen. Weisst du noch, wie schnell wir vor 25 Jahren den Wäschetrockner schallisoliert hatten, oder wie schnell wir unsere Motorradscheine hatten? Das ging viel schneller als Hof und Reise, aber wir waren ja auch so viel jünger, oder?
      Du warst mit Jan beim Big Bear Lake? Spannend.
      Danke für die guten Wünsche und bis bald einmal!

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